NKULE MABASO

«Some Bodies (Ep.1)», 17. August bis 7. September 2013

Eröffnung: Samstag, 17. August 2013, ab 18 Uhr
Ausstellung: Dienstag, 20. August bis Donnerstag, 6. September 2013
Finissage: Samstag, 7. September 2013, ab 18 Uhr
(Corrigenda Finissage: auf einer Teilaufauflage des Mailings wurde
irrtümlicherweise Freitag, 7. September 2013 kommuniziert)
 

Öffnungszeiten:
während der Ausstellung
Di / Mi / Do    14–17.30 Uhr
oder nach Vereinbarung

 

 

Some Bodies (Ep.1)

Weibliche Identität wird heute, noch viel stärker als früher, über Äusserlichkeiten definiert. Sich den Diktaten der Werbe- und Modewelt zu widersetzen schaffen wenige. Die südafrikanische Künstlerin Nkule Mabaso hat dies auch gar nicht im Sinn. Ganz im Gegenteil. Ist diese Thematik doch eine Triebkraft ihrer künstlerischen Arbeit.

Wie kann sich eine Frau heute (sexuell) attraktiv machen? Über die Haare zum Beispiel. Aber nur dort natürlich, wo sie heute noch toleriert werden – auf dem Kopf nämlich. Und da wird in Südafrika gezwirbelt, gezöpfelt, gefärbt, gestreckt, geflochten und verlängert; mit künstlichem, aber auch echtem Fremdhaar.

Kann es sein, dass sich weibliche Identität und Attraktivität ganz und gar auf das Haar reduzieren lässt? Mabaso gibt die ebenso ironische wie lapidare Antwort, indem sie 150 Haarbüschel, die sie drei Monate auf dem Kopf ge­tra­gen hat, aufgereiht auf eine 200 x 150 cm grosse Sperrholztafel steckt, als müssten sie zum Appell anreten. Diese Arbeit nennt sie «Self Portrait».

Die Künstlerin ist in einem Land aufgewachsen, das in jüngerer Zeit auf erstaunliche und bewundernswert friedliche Weise die Rollen getauscht hat zwischen Schwarz und Weiss. Gleichwohl weiss Mabaso, als dunkel­häutige Frau, was Diskriminierung und Rassismus bedeutet und thematisiert dies immer wieder in ihrer Arbeit.
In einem Werkzyklus stellt sie sich dem eurozentrischen Blick auf die schwarze Frau indem sie sich im Wild­katzendress in vermeintlich unterwürfiger und lasziver Haltung fotografieren lässt. Auf diese Bilder appliziert sie anschliessend das, beim Shooting getragene, Kunsthaar, nun aber auf ihrem Körper. Ein Sakrileg in verschiedener Hinsicht. Der (weisse) Betrachter sieht sich, ob er will oder nicht, in der Rolle des Voyeurs versetzt. Muss er sich nun fürchten vor diesem Wesen, das vom passiven Objekt der Betrachtung zur wirklichen Wild­katze geworden ist oder darf er sich noch freuen an den «Red hot Lips»? Man(n) fühlt sich ertappt. Das ist Lust und lustig zugleich.

Für eine weitere Werkgruppe füllt die Künstlerin Präservative mit Gips ab und generiert mit wenigen Eingriffen quellende und fliessende Brüste. Diese lässt sie in kleinen und grösseren Gruppen liegen und fliessen – oder hängen. Die Geschlechter gehen ineinander auf oder das eine geht in das andere über.

Die sinnliche Leichtigkeit und unverblümte Direktheit, mit der sich Nkule Mabaso in diesen komplexen Themen­feldern bewegt und sich künstlerisch auf hohem Niveau auszudrücken vermag, verblüfft und macht neugierig auf weitere Episoden von «Some Bodies (Ep.1).

Michael Nitsch, August 2013

 

L’identité féminine est définie aujourd’hui, encore plus explicitement qu’hier, par l’apparence. De s’opposer au régime du monde de la publicité et de la mode, peu de nous y réussissent. L’artiste Sud africaine Nkule Mabaso n’y aspire même pas. Tout au contraire, cette thématique est une force motrice de sont travail artistique.

Comment une femme d’aujourd’hui réussit-elle à se rendre sexuellement attirante et attractive? Par ses cheveux par exemple. Mais certainement uniquement là, où ils sont tolérés aujourd’hui – c'est-à-dire comme coiffure. Et en Afrique du sud on tresse, on colore, on étire, on lisse, on natte avec des extensions de cheveux artificiels ou naturels.

Mais, est-ce possible que l’identité et l’attractivité féminine soit réduite à la coiffure uniquement ? Mabaso donne une réponse ironique et succincte: elle aligne 150 touffes de cheveux (après qu’elle les ait portées pendant trois mois) piquées sur une plaque de bois rectangulaire de 200cm sur 150cm comme si c’était des soldats à l’appel. Elle appelle cet œuvre « Self portrait » (auto portrait).

L’artiste a grandi dans un pays où les rôles entre noir et blanc ont été, dans un passé récent, changés de manière admirablement pacifique. Mais malgré ce fait, Mabaso, une femme de peau noire, sait ce que c’est que la discrimination et le racisme et les thématise dans sont travail artistique.

Dans un autre cycle d’œuvres elle se livre au regard européocentrique sur la femme noire. Elle se fait photographier, habillée comme une chatte farouche et dans une attitude de soumission lassive. Sur ces photos elle accroche dans la suite les cheveux artificiels qu’elle avait portés pour cette mise en scène. Mais cette fois elle les place sur son corps. Un sacrilège pour plusieurs raisons.  Le spectateur (blanc), qu’il le désire ou pas,  se voit placé dans le rôle de voyeur.  Le spectateur devrait-il avoir peur de cet être qui s’est transformé d’objet passif en chatte farouche ou peut-il se réjouir de ces « red hot lips »?

On se sent découvert! C’est en même temps un plaisir et amusement.
Dans un autre cycle d’œuvres l’artiste remplit des condoms avec du plâtre, les transforme de ses mains en seins et les regroupe en deux installations différentes: une où les seins sont suspendus et l’autre où ils sont posés et coulants.

Les genres deviennent hybrides ou se transforment l’un en l’autre.
La légèreté sensuelle et la franche immédiateté dont l’artiste Nkule Mabaso traite cette  thématique complexe (s’exprimant artistiquement à un haut niveau) nous étonne et nous rend curieux de voir les épisodes suivantes de « Some Bodies » (Ep.1).

Michael Nitsch, traduit par Susanne Tassé Tagne 2013

 

Nkule Mabaso’s Kunst ist hintergründig und provozierend

In drei verschiedenen Werkreihen versucht sie darzustellen, wie sich eine Frau heute, wie sie sich selbst als  afrikanische Frau dargestellt sieht und wie sie als Frau fragt, was diese Darstellungen mit ihrer eigenen Identität zu tun haben.

Haben die Frauenbilder in vielen Medien und die Darstellung der weiblichen Sexualität in der Werbung etwas mit ihrer gelebten Sinnlichkeit gemeinsam? Oder sind sie nur eine Chimäre aus der Welt der (männlichen) Betrachter?

Mit Mut und Selbstironie zeigt die Künstlerin, wie sie selbst mitmacht bei diesen Inszenierungen der wilden erregenden Weiblichkeit. In ihrer Erfahrung sind Haar und Brust die wichtigsten Attribute für eine sexuell attraktive Frau. Darum sind Haar und Brust in  den gezeigten Werkzyklen das Hauptmotiv.

Sie verwendet kleine Büschel aus den künstlichen Haarverlängerungen ihrer früheren Frisuren für eine 2 x 1.50 m grosse Accrochage, die an ein Gräberfeld erinnert.

Auf  Fotos, die sie als Wildkatze zeigen, appliziert sie ihre abgelegten Coiffuren auf dem ganzen Körper und thematisiert mit dieser Darstellungsweise das Paradox, dass die sexuell attraktive Frau ihre ursprüngliche, natürliche Körperbehaarung zu entfernen hat aber gleichzeitig wild wie ein Tier sein soll.

Die wichtige Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen in Hermaphroditismus werden mutig und in humorvoller Aesthetik gezeigt. Indem Nkule Mabaso ausgerechnet Kondome als Grundmaterial braucht um die weibliche Brust zu formen, zeigt sie uns, dass alles was ist, auch etwas anderes sein kann. Sie führt uns in ein hybrides Gebiet, wo alles fliesst, wo nicht die Abgrenzung  wichtig ist sondern die Akzeptanz der Übergänge.

Susanne Tassé Tagne, August 2013

 

Artist Statement

In the search for contemporary black female identity the concern with being physically and sexually attractive is a useful site at which to examine the emergence of femininity and the numerous possibilities it opens up for the re-articulation of new identities through the practices of artifice. In a time where images of race and representation have become a contemporary obsession, hair, seemingly the most superficial part of the human body remains an object of intense elaboration and preoccupation in many societies. Hair is a multivalent, deeply symbolic material that is employable as a metaphor for broader societal issues. The physical and material inclusion of hair in art is a contemporary phenomenon and tests the boundaries of traditional art.

My work tries to questions the construction of “beauty” as articulated through the politics of the body as structured by the hierarchal values of colonial racism that have left a deep mark on current conceptions of what is considered attractive and beautiful by looking at the racial, sexual, class, political, and geographic cultures and locations mediate the technologies of artifice and alteration required for the achievement of “beauty”.

Through my work I endeavor to forcefully re-conceive the ideological codes and social values that framed black hair and bodies with an affliction of negative connotations and liberate the materiality of my hair from the burdens bequeathed by racist ideology and call to question the imagined understanding of my own body and “othered” bodies in the normative Eurocentric imaginary.

The new sculptural works create forms that refer to parts of the female body but are created through a process that uses the latex male contraceptive device.

Nkule Mabaso, August 2013

Bei der Suche nach der heutigen schwarzen weiblichen Identität ist das Bestreben, körperlich und sexuell attraktiv zu sein, ein geeigneter Ausgangspunkt, von welchem aus man das sich Entwickeln von Weiblichkeit und die zahlreichen Möglichkeiten, die dies für eine Neuformulierung von Identitäten durch die Praktiken der Kunstfertigkeit eröffnet, zu untersuchen.

In einer Zeit, in welcher die Bilder und Darstellung von Rasse und Repräsentation eine Obsession geworden sind, bleibt Haar, scheinbar der oberflächlichste Teil des menschlichen Körpers, ein Objekt für intensive Gestaltung und Beschäftigung in vielen Gesellschaften. Haar ist ein vielwertiges, tief symbolisches Material, das sich als Metapher für gesellschaftlich aktuelle Fragen im weiteren Sinne verwenden lässt. Das physische Einbeziehen von Haar in die Kunst ist ein zeitgenössisches Phänomen und erprobt die Grenzen der traditionellen Kunst.

Meine Arbeit versucht, die Konstruktion von «Schönheit» zu hinterfragen – der Schönheit, wie sie durch die Politik des Körpers artikuliert wird, wie sie strukturiert wird durch die hierarchischen Werte des kolonialen Rassismus, welche tiefe Spuren haben in der gegenwärtigen Konzeption dessen, was als attraktiv und schön angesehen wird. Dies geschieht durch das Anschauen von rassischen, sexuellen, klassenspezifischen, politischen und geografischen Kulturen und Örtlichkeiten durch die Techniken der Kunstfertigkeit und Veränderung, die für das Erreichen von «Schönheit» verlangt werden.

Durch meine Arbeit bin ich bestrebt, die ideologischen Codes und sozialen Werte, die schwarzes Haar und schwarze Körper mit negativen Konnotationen verbinden, kraftvoll neu zu erfinden, mein Haar zu befreien von der Bürde vererbt durch rassistische Ideologie und das Verständnis meines eigenen Körpers und verfremdeten Körpern in der normativen eurozentrischen Bilderwelt herauszufordern.

Übersetzung: Barbara Schmid