ELISABETH EBERLE
OTHMAR EDER
JUDITH PETERS

«DRAWING Part 4», 23. Februar bis 24. März 2018

Eröffnung Freitag, 23. Februar 2018, 17–20 Uhr
Finissage Samstag, 24. März 2018, 13–16 Uhr

Öffnungszeiten während der Ausstellung

Mo / Di / Do
Sa
14–18 Uhr
13–16 Uhr
oder nach Vereinbarung

Die KünstlerInnen sind an der Eröffnung und an der Finissage anwesend.

 

Jahrhunderte lang war klar, dass ein virtuoser Strich die Grundlage und Voraussetzung für eine Karriere als Künstler ist. Man denke an die unerreichten Pinselzeichnungen von Rembrandt oder an die späten erotischen Zeichnungen von August Rodin.

Dieses Diktum ist natürlich längst gebrochen. Nicht erst seit Sol LeWitt, der seine Zeichnungen nur noch als Konzept definierte und die Ausführung anderen überliess, geht heute niemand mehr davon aus, dass KünstlerInnen an der Handschrift des Strichs erkennbar sein müssen. Was aber macht eine künstlerische Handschrift heute aus, wenn man von Zeichnungen spricht?

Die drei KünstlerInnen, die in der vierten Ausgabe der «DRAWING»-Reihe im LOKAL 14 aufeinandertreffen, haben ganz unterschiedliche Herangehensweisen an diese Frage.
 
«Default Heads»
Drei grosse Blätter sind zu sehen, wenn wir das Lokal betreten. Sie sind überzogen von einem dichten Liniennetz, das von einer inneren Energie zusammengehalten zu werden scheint. Die Linien wirken etwas holprig, aber sicher, fast mechanisch, gesetzt. So, als wären vorab schon klar, wohin sie führen müssen. Die Liniengeflechte lassen sich als stark stilisierte Köpfe deuten. «Default Heads» nennt Elisabeth Eberle, deren Schaffen immer in grossen Werkgruppen angelegt ist, diese Köpfe. Sie entstehen am Computer unter Verwendung von default heads (vorgefertigten Musterköpfen), welche 3-D-Programme zur Verfügung stellen. Mit diesen als Ausgangspunkt ertastet die Künstlerin ihre Räumlichkeit neu und verfremdet sie mitunter soweit, dass ein Kopf nur noch mit Phantasie erkennbar wird.

Anschliessend experimentiert die technisch versierte Künstlerin mit einem Plotter unter Verwendung von verschiedenen Stiften, auch solchen, die ganz und gar nicht dafür vorgesehen wären. Man spürt das arg geprüfte Gerät förmlich rattern während es die holprigen Linien generiert. Hin und wieder leckt denn auch ein Farbtank, aber auch solche Spuren werden nicht eliminiert und sind hier in der Ausstellung zu sehen.

Ein viermonatiger Parisaufenthalt im letzten Jahr stellte Elisabeth Eberle vor ein Problem – der Plotter konnte nicht mit – viel zu gross und sperrig. Wie also fortfahren mit der Serie? Dieses Dilemma hat die Künstlerin kurzerhand gelöst, indem sie die Arbeit des Plotters gleich selber übernommen hat – ein, zumindest aus meiner Sicht, einmaliges Unterfangen in der Kunstgeschichte.

In der Ausstellung ist beides zu sehen, Handzeichnungen und Plotterzeichnungen, mitunter schwer voneinander zu unterscheiden. Eine Wertung ist auch hinfällig, denn alles sind Originale.

Langsamkeit als Prinzip
Ein eigenes Verfahren hat Othmar Eder für seine fast fotorealistisch wirkenden grossformatigen Zeichnungen entwickelt. Sie entstehen in einem Übertragungsprozess mit Kohlepapier. Die Langsamkeit ist Prinzip, denn es ist eine langwierige und aufwändige Arbeit und nicht ohne Risiken. Der Künstler sieht das Bild nicht direkt entstehen, sondern erst, wenn er zur Kontrolle das Kohlepapier anhebt. Was man sieht, ist also ein Durchschlag – ein Bild hinter dem Bild. Die «Originalzeichnung» ist zwar noch vorhanden, verliert aber an Bedeutung. Der Strich wird durch die Übertragung weich und leicht gebrochen, längst nicht alles ist kontrollierbar.

Die Zeichnungen, die so entstehen, haben etwas Entrücktes und Schwebendes, was auch damit zu tun hat, dass Bildstellen offen bleiben. Die Zeit scheint still zu stehen. Die Verlangsamung und das sich Zurücknehmen scheint wichtig zu sein für den Künstler, der sich auch als Mensch gerne langsam bewegt. Auf Spaziergängen und Zugfahrten sammelt er seine Eindrücke. Oft ist es Unscheinbares, wenig Beachtetes, das seine Aufmerksamkeit weckt.

2014 erhielt der Othmar Eder das erste Mal die Gelegenheit eines längeren Aufenthalts in Lissabon auf den weitere folgten. Unterdessen ist die Stadt für ihn zu einem Sehnsuchtsort geworden, der künstlerisch reiche Früchte getragen hat. Im Untergeschoss sehen wir am Boden eine Serie von 26 kleinen Glas- und Plexiglasscheiben, Fundstücke aus Lissabon. Die grob geschnitten und mit allen Spuren der Zeit belassenen Gläser (einige haben gar Löcher), treten in einen Dialog mit den darunter platzierten Zeichnungen. In einer Ecke liegt eine Kartonschachtel mit den Resten zugespitzter Bleistifte. Überbleibsel von exakt zwei Jahren Arbeit. Mit einem Augenzwinkern verabschiedet sich der Künstler – hat nicht schon Karl Valentin gesagt: «Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.»

Ausufernde Landschaften
Sperrig, fast widerborstig, hängen die grossen Papierabeiten von Judith Peters etwas von der Wand abgesetzt. Es scheint undenkbar, sie in einen Rahmen zwängen zu wollen. Von nahem betrachtet – und man soll sie unbedingt von ganz nah betrachten – wirkt die Oberfläche da und dort fast reliefartig schrundig. Immer wieder überarbeitet, partiell überklebt, an einigen Stellen auch durchlöchert macht das Papier den Eindruck von Landschaften. Das Auge wandert darin, versucht sich zu orientieren, bewegt sich aber unsicher, weil nichts vertraut wirkt. Instinktiv sucht es Halt an den dominanteren Bildelementen. Aber auch in den Zwischenräumen und an den Rändern spielt sich Wichtiges ab, das nicht übersehen werden darf.

Der Strich von Judith Peters ist tastend, als wolle er sich jeder Routine widersetzen. Immer wieder tauchen textartige Fragmente in ihren Zeichnungen auf. Man sollte sich aber hüten, in ihnen Deutungen zu suchen. Es können Gedanken sein, die konkret ansetzen und sich plötzlich auflösen – vielleicht verhält es sich aber auch ganz anders. Überhaupt widersetzen sich die Bilder eindeutigen Interpretationen. Dazu passt, dass die Künstlerin ihre Arbeiten nie betitelt. So umkreist man die Blätter ein ums andere Mal. Ertastet das Nah und Fern darin und merkt, wie gefesselt man plötzlich ist und versucht nicht länger, die Gedanken der Künstlerin zu enträtseln, sondern taucht ein in seine eigenen.

Im Untergeschoss präsentieren sich eine kleine und eine grössere Gruppe von A4-Zeichnungen. Man kann sie als tagebuchartige Notizen sehen. In ihnen zeigt sich die Künstlerin ungeschützter: verspielt, humorvoll, aber auch verletzlich.

Michael Nitsch, Februar 2018