RAHEL HEGNAUER

«Wenn die Kirche nicht mehr im Dorf steht», 1. bis 28. November 2014

«Wenn die Kirche nicht mehr im Dorf steht»
Eine ortsbezogene Intervention

Francis Bovet: Holzwerk
Video und Ton in Zusammenarbeit mit
cmunz: Video, Schnitt
Anselm Caminada: Sounddesign

Eröffnung: Samstag, 1. November 2014, ab 18 Uhr
Ausstellung: 4. bis 27. November 2014
Finissage: Freitag, 28. November 2014, 17.30–20.00 Uhr

Die Künstlerin ist am 1. und 28. November anwesend.
Sie und Ihre Freunde sind herzlich eingeladen.

 

«Wenn die Kirche nicht mehr im Dorf steht»
Kirchen gehören zum festen Bestandteil jeder Schweizer Ortschaft. Sie besetzen nicht selten die schönsten und zentralsten Plätze und werden so zu einem prägenden Teil des Ortsbildes. Oft nimmt man sie aber kaum noch wahr – trotz imposanten Türmen. Die Floskel «Damit die Kirche im Dorf bleibt» meint denn auch und oft in säkularem Kontext, dass etwas bleibt, wie es schon immer war.

Die Künstlerin Rahel Hegnauer arbeitet meist ortsbezogen. Aufgewachsen ist sie in Zürich Oerlikon und so ist sie ausgezogen, um das Quartier ihrer Kindheit neu zu sehen. Dabei ist sie auf die Reformierte Kirche Oerlikon gestossen. Diese ist ein imposanter Bau im Übergang von Historismus zur Reformarchitektur mit einem Turm von fast 70 Metern Höhe. Ein Gebäude, das in ihrer Kindheit kaum ein Rolle gespielt haben dürfte.

Noch bevor man die Galerie betritt, hört man schwer zu ortendes Glockengeläut. Im Hauptraum steht oder vielmehr liegt, dekonstruiert und neu gedeutet, die Kirche Oerlikon mit grotesk gestauchtem Kirchturm. Hineingezwängt in eine beengende neue Realität. Es ist die gespiegelte Nord-Ost-Fassade exakt im Verhältnis 1/7,5.
In ihrer vielschichtigen Arbeit geht es der Künstlerin nicht nur um das Hinterfragen der institu­tionalisierten Religion in der Schweiz, die präsent ist mit riesigen Gebäuden, die nur noch von wenigen genutzt werden. Ebenso wichtig ist ihr, Verschiebungen der räumlichen Wahrnehmung erlebbar zu machen.

Wir betreten das Kabinett und finden, am Boden liegend, einen Glockenklöppel. An den Wänden rundum laufend als Fries, der Abrieb des Ornaments, das die Glocke umfliesst. Leicht ist sie, diese Glocke und ihrer Funktionalität und Stofflichkeit enthoben. Das Läuten kommt nicht von diesem Klöppel und auch nicht, wie üblich, aus dem Kirchturm, sondern aus dem Untergeschoss.
In der dreiteiligen Videoinstallation sehen wir die vier Glocken der Kirche Oerlikon dann endlich in Aktion. Sie entfalten mit ihren immensen Gewichten (über drei Tonnen wiegt die Grösste) eine optische und akustische Wucht, die selbst die Kamera zum Zittern bringt. Dazwischen Stille, während die Kamera über die Inschriften auf den Glocken schweift oder andere Details zeigt. Gegossen wurden sie, wie damals üblich, aus alten französischen Kanonen. Hier eine Verschiebung der Werte.

Die Künstlerin bedient sich ihrer Mittel souverän. In wenigen Wochen hat sie diese Ausstellung realisiert, von den ersten Entwürfen bis zur fertigen Umsetzung. Wo nötig, hat sie sich profes­sionelle Mitarbeit oder Unterstützung gesichert (siehe Folgeseite).
Wie sie die drei sehr unterschiedlichen Räume der Galerie in Angriff genommen und über die Akustik zu einer ganzheitlichen Arbeit zusammenfügt hat, ist einzigartig.

Die Kirche wird auch nach dieser Ausstellung im Dorf bleiben. Verändert hat sich unsere Wahr­nehmung. Rahel Hegnauer ist eine wichtige
Schweizer Künstlerin, die Beachtung verdient.

Michael Nitsch, Oktober 2014