LARA RUSSI

WURLINGS

Eröffnung   Samstag, 12. September 2015, 17–20 Uhr
Ausstellung   15.  September bis 1. Oktober 2015
Finissage   1. Oktober 2015, 17.00–20.00 Uhr

Öffnungszeiten während der Ausstellung

Di / Mi / Do    14–18.00 Uhr
oder nach Vereinbarung

 

WURLINGS – was steckt hinter dieser seltsamen Wortschöpfung?


Als mir Lara Russi die erste Arbeit ihrer Ausstellung zeigte – ein amorphes Gebilde aus verschlungenen grünen Fäden – war mein erster Gedanke, das ist ein Wurling. Ich meinte mich zu erinnern, dass ich, als seefahrtbegeisterter Junge, in einem Buch dieses Wort gelesen hätte. Es stand für: unentwirrbarer Knäuel. Die Recherche im Internet hat dann aber ergeben, dass es diesen Begriff offenbar nicht gibt*. Wir haben keinerlei Verweise darauf gefunden. War das nun ein Hirngespinnst? Ein Hirnwurling? Das Bild, das mir aus unerfindlichen Gründen so lange in Erinnerung blieb, schlicht eine Chimäre? Wie auch immer, Lara war sofort angetan von diesem Wort, hat es in den (englischen) Plural gesetzt – und voilà, die Ausstellung hatte ihren Titel!

Diese kleine Episode schildert beispielhaft, wie die Künstlerin an die Arbeit geht. Stark verankert in der Konzeptkunst, der Minimal Art der 70er-Jahre und vertieft im Medium Performance aktiv, geht jedem ihrer Auftritte intensive Gedankenarbeit und Recherche voraus. Die Inszenierung fügt sich aber meist vor Ort zusammen, als Interaktion auf den Raum und darin Vorgefundenem, was in diesem Fall auch den Betreiber der Galerie miteinschliessen kann.

Wenn wir das Lokal betreten sehen wir zuerst das Spiegelobjekt «INOUT» flankiert von zwei grossen Wandinstallationen mit giftgrünen Fäden. Sauber, fast schon militärisch aufgereiht, hängen sie festgesaugt an der Wand und definieren den Raum, indem sie ihn in einen feinen grünen Schleier tauchen. Hier scheint noch alles in Ordnung zu sein. Aber was heisst schon Ordnung? Was ist «IN» und was «OUT»? Auf allen Seiten verspiegelt, wirft die Arbeit «INOUT» alles zurück, was ihr entgegen tritt und wird so zu einem Synonym für «dazwischen» – Zwischen-Raum für Interpretationen.

Im Durchgang zum Kabinett dann das Chaos. Eben noch ordentlich aufgereiht, kleben hier die grünen Fäden – wie von unsichtbaren Kräften angezogen – unentwirrbar verschlungen und fixiert mit einer gallertartigen Masse an der Wand. Was aussieht, wie das Ende einer langen Reise, löst sich im Kabinett wieder auf. Frei schweben hier die «Nudeln», unberührt und in fast schon meditativer Ruhe.

Im Untergeschoss schliesslich reagiert Lara Russi humorvoll auf die ausufernde Sammlung afrikanischer Masken, die noch vor kurzem hier ausgebreitet lag. Die grünen Fäden hängen den Keramikmasken aus den Ohren, der Nase, den Augen und dem Mund und verweisen so auf ihre ursprüngliche Bestimmung: nämlich gegessen zu werden. Das ist die ironische Schlusspointe dieser Intervention. Wie könnte die Vergänglichkeit schöner thematisiert werden, als mit einer Ausstellung, die man am Schluss (partiell) aufessen kann...

Michael Nitsch, September 2015


* Eine spätere, vertiefte Internet-Recherche hat ergeben: «... Gerade am Anfang gehört das, was die Fachliteratur Perücke nennt, zum Angeln dazu. Der Bayrische Volksmund nennt das Ärgernis Wurling, der Norddeutsche Getüdel, wie auch immer – es muss durchlitten werden. ...», aus: «Die Stille vor dem Biss: Angeln. Eine rätselhafte Passion», von Max Scharnigg.